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Brose Bamberg: Christian Sengfelder im Interview

Bamberg, 15.06.2021

Der deutsche Basketball befindet sich in der Offseason – ein idealer Zeitpunkt für einen Saisonrückblick durch Vorzeigeprofi und Identifikationsfigur Chris Sengfelder. Im Interview für das Brose Bamberg Business Club-Magazin offcourt spricht er unter anderem über Höhepunkte, die hervorragende Stimmung im Team, Herausforderungen der Corona-Saison und seine vorzeitige Vertragsverlängerung.

Chris, lass uns nochmal zurück zu dem Tag gehen, an dem wir das fünfte Viertelfinale verloren haben. Wir haben um knapp 20.30 Uhr gewusst, dass die Saison vorbei ist.
Das ist das Brutale am Sport. Du verlierst, bist ausgeschieden. Zack, Saison vorbei. Wir hatten ja sehr gute Chancen, auch ein gutes Gefühl, dass wir das Spiel gewinnen. Und plötzlich ist alles vorbei. Zunächst packst du das gar nicht. Ich bin roboterartig in den Bus. Nach etwa einer Stunde habe ich dann langsam angefangen, über die Serie nachzudenken und über das, was wir geleistet haben. Wie lange wir schon am Arbeiten sind, wie lange eine Saison war – und wie anstrengend. Das macht jeder für sich, daher war es die ganze Fahrt über extrem still im Bus.

Dann ist es 23.42 Uhr. Wir fahren nach Strullendorf zur Trainingshalle und da stehen 50 Leute mit Bengalos, klatschen und feiern.
Gänsehaut pur. Das ist Freak City. Leider hatten wir durch Corona nicht so viele Verknüpfungen mit unseren Fans, wie wir sie gerne gehabt hätten. Ich war auch einer der wenigen, der das „richtige“ Freak City letztes Jahr erleben durfte. Und trotzdem, sie waren immer für uns da, haben uns trotzdem immer unterstützt. Und dann dieser grandiose Empfang. Das war einfach atemberaubend.

Würdest du mir zustimmen, wenn ich sage, dass, wenn Fans in der Halle gewesen wären, das eine oder andere Spiel wahrscheinlich nicht so gelaufen wäre, wie es am Ende gelaufen ist? Oh ja, auf jeden Fall. Das ist diese mentale Unterstützung, dieser Push, den sie dir geben können. Sie bringen dich aus Tiefs, und zermürben zeitgleich den Gegner. Das war halt dieses Jahr deutlich schwieriger, weil eben keine Fans da waren. Bei Auswärtsspielen war es natürlich ein bisschen vorteilhafter… Aber ja, du hast Recht, einige Spieler wären sicherlich anders gelaufen.

Dann lass uns jetzt komplett zurückschauen. Achterbahnfahrt trifft es als Umschreibung für die Saison ganz gut, oder?
Auf jeden Fall. Wir hatten Siege, die keiner erwartet hatte. Aber vor allem auch Niederlagen, die es so nicht gebraucht hätte.

Siege vor allem gegen die Topteams, Niederlagen unter anderem gegen Vechta, die gegen uns ihren ersten Saisonsieg geholt hatten. Man kommt dann immer schnell zum Thema Einstellung. Gegen die guten Teams sind sie topmotiviert, gegen die vermeintlich kleineren Vereine lassen sie es schleifen?
Es ist schwer zu erklären. Wir sprechen immer darüber, meist schon direkt auf der Rückfahrt. Oder direkt in der Kabine. Wie konnte das passieren? Natürlich gibt es Erklärungen, die sich aber im Nachhinein immer wie Ausreden anhören. Daher will ich die gar nicht wiederholen. Trotzdem: wir gewinnen in einem überragenden Spiel mit sieben Mann gegen ALBA BERLIN, fahren anschließend zum vierten Spiel in sieben Tagen nach Vechta. Da lief dann einfach gar nichts. Daher, ganz ehrlich, keine Ahnung, warum wir diese starken Spiele hatten, dann aber auch solche schwachen.

Wenn du Höhepunkte aus dieser Saison herausgreifen müsstest, welche wären das?
Definitiv, dass wir es geschafft haben, in der Champions League in heimischer Halle ungeschlagen zu bleiben. Dann natürlich unsere beiden Viertelfinalspiele gegen Ludwigsburg. Da haben wir nochmals richtig Herz, Charakter und Stärke gezeigt. Das haben uns im Nachgang ja auch unsere Fanclubs bescheinigt, das hat uns sehr viel gegeben. Außerdem haben wir nie aufgehört, als Team zu wachsen. Wir hatten wirklich kein einfaches Jahr, keine Fans in der Halle, viele Verletzungen. Trotzdem haben wir uns nie aufgegeben, jeder hat für jeden gekämpft. Die Stimmung im Team war die gesamte Saison überragend.

Eine besondere Herausforderung diese Saison war, vor allem für euch deutsche Spieler, sicherlich auch die Integration der Ausländer. Nehmen wir als Beispiel Devon Hall. Der ist ein Supertyp, ist aber das erste Mal in seinem Leben in einem fremden Land. Es ist Corona, er sieht nichts außer seiner Wohnung, der Trainingshalle, sein Auto, den Mannschaftsbus und irgendwelche Hallen. Wie habt ihr versucht, den Jungs hier auch ein bisschen „Heimat“ zu geben?
Ja, das war genau die Herausforderung. Zumal man ja auch miteinander außerhalb der Trainingshalle aufgrund der Kontaktbeschränkungen nichts machen konnte. Für alleinstehende Spieler wie etwa Devon ist es dann auch nochmal deutlich schwieriger, weil die Tiefen nochmals tiefer sind, weil du einfach keine Person hast, die dich aus einem Loch rausziehen kann. Man kommuniziert natürlich viel über die sozialen Medien, FaceTime und solche Sachen. Und man verbringt natürlich auch unglaublich viel Zeit in der Halle, weil man da einfach andere Leute trifft. Aber ganz klar, leicht war die Saison für keinen ausländischen Spieler.

Lass uns zu dir kommen. Am Anfang der Saison war es vielleicht ein bisschen ruckelig, da hast du dich dann aber trotzdem selbst rausgezogen und hinten raus top performt.
Naja, ob top performt weiß ich nicht. Aber ja, am Anfang hatte ich Probleme. Daran habe ich gearbeitet, hatte viel Zuspruch von außen bekommen und auch mental ein, zwei Sachen geändert. Im Endeffekt hat mir aber vor allem das Team geholfen. Es war unfassbar, wie jeder für jeden gespielt hat. Wenn man weiß, dass immer einer neben einem steht, der dir hilft, der dich nicht im Stich lässt, dann hilft das unglaublich – einem selbst und dabei, erfolgreich Basketball zu spielen. Zusammengefasst für mich selbst: es war eine solide Saison, nach der aber definitiv noch Raum nach oben vorhanden ist.

Ein Spiel würde ich gerne herausziehen, nämlich das gegen ALBA BERLIN. Hattest du zuvor schon einmal eine Partie, in der du 40 Minuten durchgespielt hattest?
Ich glaube nicht. Ich war im College mal nahe dran, wurde da aber am Ende für ein paar Sekunden ausgewechselt.

Was ist da in erster Linie das Schwierige, das körperlich durchzuhalten oder wirklich mental bis zur Schlusssirene frisch zu bleiben?
Körperlich war es interessant, da die gesamte Erschöpfung erst nach dem Spiel kam. Mental war es härter. Ich habe das gesamte Spiel über mit mir geredet: „Komm weiter. Weiter. Da geht noch was. Auf geht's.“ Irgendwann habe ich realisiert, da geht heute was für uns, die packen wir. Im Endeffekt war das eine richtig coole Story, die aber natürlich nur durch den Sieg auch ein Happy End gefunden hat…

Ein anderes Thema, über das ich gerne mit dir nochmal sprechen würde. Wir haben Anfang Mai bekanntgegeben, dass du deinen Vertrag vorzeitig verlängert hast. Was waren für dich die ausschlaggebenden Gründe?
Ich fühle mich in Bamberg sehr wohl. Fans, Infrastruktur – ich habe hier alles, was mein Herz begehrt. Brose ist ein Traditionsklub, der aggressiv und oben mitspielen möchte. Und da möchte ich Bamberg auch wieder hinführen. Ich bin mit einem achten Platz persönlich nicht zufrieden. Ich hoffe, dass wir im nächsten Jahr schon den nächsten Schritt machen können. Auch international mit der BCL, die immer stärker wird. Dazu die Arbeit mit Stefan Weissenböck (Assistenztrainer). Das sind alles Punkte, die mir wichtig sind. Dann kommt natürlich auch noch der familiäre, private Aspekt dazu. Meine Freundin hat hier einen Job, fühlt sich ebenfalls sehr wohl. Alles in allem also passt das aktuell hervorragend.

Aktuell ist Offseason. Was treibt Chris Sengfelder da? Ein bisschen runterfahren oder powerst du komplett durch? Nein, ein paar Tage abkühlen, den Kopf frei bekommen, Wunden lecken müssen schon sein. Allerdings, dann juckt es auch schon ziemlich zügig wieder in den Fingern.

Wie lange hältst du es komplett ohne Ball aus?
Maximal zehn Tage, dann muss ich zumindest wieder ein bisschen vor mich hin dribbeln…